In unserer neuen Serie „Erfahrungen unserer Mitglieder“ berichten BDS Mitglieder über ihre Erfahrungen mit Institutionen, Behörden oder anderen Organisationen, die den Selbständigen manchmal das Leben schwer machen. Wenn auch Sie Ihre Erfahrungen teilen möchten, schreiben Sie uns gerne an presse@bds-rlp.de , wir veröffentlichen Ihre Beiträge auch gerne anonym.
In dieser Ausgabe berichtet unser Mitglied Günter Krembsler aus Pirmasens über seine Erfahrungen mit der privaten Krankenversicherung:
Kennen Sie §204 Abs.1 Nr.1 VVG? Wenn nicht, dann geht es Ihnen so wie mir bis vor wenigen Wochen.
Als Selbständiger bin ich nun seit rund 20 Jahre bei einem Versicherungsunternehmen privat krankenversichert. Wahrscheinlich kennen Sie das auch? Die am Anfang moderaten Beiträge beginnen irgendwann einmal zu steigen.
Der „Otto-Normalverbraucher“ wendet sich dann – so wie ich – vertrauensvoll an seine Versicherung und wird darauf hingewiesen, dass er durch einen höheren Selbstbehalt den Beitrag wieder senken kann. Ich bin nun mit einem Selbstbehalt von 1.600 Euro am oberen Limit angekommen. Die letzte Vertragsänderung half nur kurze Zeit.
Im Jahr 2011 reduzierte ich den Monatsbeitrag durch den Selbstbehalt von 656,95 Euro auf 398,49 Euro. Schon im Folgejahr ging der Beitrag auf 433,46 Euro hoch. Das entspricht einer Steigerung von etwas mehr als 8 Prozent! Heute bin ich bei 746,80 Euro angelangt. Der Beitrag ist in 8 Jahre um rund 80 Prozent gestiegen.
Nachdem ich das so nicht nachvollziehen konnte, erfuhr ich erstmalig am Telefon, dass dies daran läge, weil mein Tarif geschlossen sei. Es kämen keine neuen Beitragszahler dazu, die alten sterben und kosten noch dazu mehr Geld. Das müsse sich natürlich im Beitrag wiederspiegeln.
Man könnte das auch so sehen – der Versicherer kann einseitig die Bedingungen in einem Tarif so verändern, dass die Kosten extrem steigen.
Genau dafür hat der Gesetzgeber den § 204 geschaffen:
„Das Tarifwechselrecht soll insbesondere älteren VN bei Schließung ihres Tarifs für neue VN eine Möglichkeit eröffnen, dadurch bedingten Kostensteigerungen ihres alten Tarifs durch einen Wechsel in den anderen Tarif des Versicherers zu entgehen“
Grundsätzlich können Sie also jederzeit in einen anderen Tarif beim gleichen Anbieter wechseln. Für mich positiv ist sogar die Tatsache, dass „meine Versicherung“ heute ein Teil eines großen Konzerns ist und damit habe ich auch Zugang zu allen Tarifen die in diesem Gesamtkonzern verfügbar sind.
Man könnte denken, das Problem sein damit gelöst und mein Versicherungsvertreter hat mir auch schnell einen passenden Tarif angeboten.
Bei der „Vorabprüfung“ kam dann die große Überraschung. Nicht nur wollte man auf einmal neue Gesundheitsrisiken mit einkalkulieren. Nein – dafür (als Risikoausgleich) wollte man den kompletten Selbstbehalt auf die monatliche Rate (1.600 Euro / 12 = 133,33 Euro pro Monat Mehrkosten) aufschlagen. Dabei hatte mein Zieltarif bereits eine Selbstbeteiligung in Höhe von 600 Euro. Somit würde diese faktisch auf 2.200 Euro steigen.
Nun war mein Ehrgeiz geweckt und ich habe begonnen mich in die Rechtsprechung dazu einzulesen. Ohne Sie alle mit den Details langweilen zu wollen kam ich zu einem erschreckenden Ergebnis: Viele Rechtsfragen zum Umgang beim Tarifwechsel sind nicht eindeutig geklärt. So geistert der Begriff „Mehrleistung“ herum, wenn sich der Selbstbehalt verringert.
Das reicht der Versicherung als Begründung. Dabei ignoriert uns verschweigt man jedoch einige Details im Urteil (nachzulesen BGH IV ZR 45/16 v. 20.07.2016). So hat der BGH klar entschieden, dass diese sog. Mehrleistung sich nur auf die Differenz alt/neu bezieht:
Die Beklagte kann vielmehr hinsichtlich der Mehrleistung, hier also der Differenz von bisherigem und künftigem behandlungsbezogenen Selbstbehalt in Höhe von 904 Euro jährlich, einen angemessenen Risikozuschlag auf der Grundlage einer insoweit zulässigen Gesundheitsprüfung verlangen.
„Prima!“ argumentieren die Versicherer. Wir dürfen für diese „Mehrleistung“ einen Risikozuschlag kalkulieren. Das hat der BGH entschieden.
Wäre da nur nicht ein weiterer Satz im Urteil:
Die erforderlichen Feststellungen, ob und in welcher Höhe ein derartiger Risikozuschlag in Betracht kommt, wird das Berufungsgericht nach Zurückverweisung der Sache, gegebenenfalls nach ergänzendem Vortrag der Parteien zu treffen haben.
Man beachte das „ob“ in diesem Satz, welches klarstellt, dass zumindest der BGH dies nicht entschieden hat. Und auch das „wie“ ist nicht entschieden. Da gibt es nämlich den Grundsatz im Kontext des § 204, dass die Basis einer solchen Risikoprüfung der Gesundheitszustand beim Einstig in die PKV ist, weil der Vertrag nicht neu geschlossen sondern zu den alten Konditionen fortgeführt wird. Man spricht von „aus dem Vertrag erworbenen Rechten und Pflichten“.
Wer nun darauf hofft, dass im OLG neu verhandelt wurde, der liegt falsch. Das Verfahren wurde nach dem Urteil des BGH durch einen Vergleich beendet und nicht erneut verhandelt. Das ist der übliche Weg, wie die Versicherungen ein Urteil zu ihren Ungunsten vermeiden. Mit Erfolg. Nun bin ich kein Anwalt und dieses Thema ist noch viel komplexer als ich es hier darstellen kann. Aber – jeder, der in einer ähnlichen Situation ist, sollte den mit großer Vorsicht und mit dem Brustton der Überzeugung vorgebrachten Aussagen der Versicherer nicht vertrauen.
Gehen Sie in einem solchen Fall zu einem Anwalt und lassen Sie sich beraten. Nutzen Sie die Möglichkeit, sich beim „Ombudsmann“ (www.pkv-ombudsmann.de/) zu beschweren.
Die BaFin (www.bafin.de) hat ein offenes Ohr für die Verbraucher und sogar ein Verbrauchertelefon (0800 2 100 500) für solche Fragen. Auch die Verbraucherzentralen können Ansprechpartner sein.
Wir als Selbständige sind heute die Melkkuh für viele Institutionen. Nur wenn wir uns in einem Verband wie dem BDS zusammenfinden, können wir an dieser Situation etwas ändern. Nur gemeinsam sind wir stark.
Wir müssen uns mit aller Kraft gegen derartige Ungerechtigkeiten wehren und dazu brauchen wir zunächst einmal Informationen.
Autor:
Günter Krembsler